Čičovata

Čičovata heißt „Onkels Tanz“. So tanzen viele Vlachen und Bulgaren von Vidin den Čoček. Sie wollen nicht das Wort „Čoček“ sagen. Sie sagen, das sei kein Zigeunertanz, aber er wird nur auf Čočeks getanzt. Sobald eine Čoček-Musik ertönt, gehen sie alle hin und tanzen: „Nein, kein Zigeunertanz …“ Ich habe diese Musik von Gadjo Dilo dafür verwendet. Die Musik von Gadjo Dilo ist eine neue Form von rumänischer Musik, „alla turca“, im türkischen Stil. Sehr viele Balkanlieder werden jetzt bearbeitet. Sie hören gerne bulgarische, makedonische und türkische Musik und spielen das in dieser neuen Bauchtanz-Art, allerdings im rumänischen Geschmack. Die Instrumente sind rumänisch, die Texte roma und die Melodien makedonisch-bulgarisch.

Der Tanz ist das, was eine große Gruppe von Menschen aus Vidin, die bulgarisch und vlachisch sprechen, in Saint Louis tanzen, wenn sie diese Musik hören. Sie nennen den Tanz Čičovata, aber es ist ein Čučuk, ein Kjuček. Ich kann sagen, was ich sehe; ich bin nicht national oder moralisch gebunden. So kann ich sagen, was das meiner Meinung nach ist. Einmal waren tolle Musiker aus Bulgarien in Amerika und Yves Moreau sagte zu ihnen – die Stimmung war sehr gut –: „Spiel einen Kjuček!“ Sie blieben versteinert: „Wir spielen keinen Kjuček!“ Er war sehr böse: „Was heißt, ihr spielt keinen Kjuček? Bei jeder Hochzeit in Bulgarien spielt ihr stundenlang Kjuček!“ – „Wir spielen keinen Kjuček!“ Er war so sauer auf diese Musiker und sprach nachher mit ihnen. Sie sagten: „Wir dürfen jetzt keinen Kjuček spielen. Da waren Leute von der Botschaft. Das ist nicht bulgarisch!“ (1) Ivo Papazov und andere Musiker leben davon, Kjuček zu spielen. Juri Junakov auch; jetzt, in Amerika, spielen sie fast nur noch Kjuček.

(Stefan Kotansky Mitschnitt 2002)

Mitschnitt 2010:

Ein neues Lied für die Nordbulgaren. Ursprünglich hat es Esma Redžepova aus Skopje, die „Königin“, gesungen, aber auf neun Achtel. Man kann das im Internet auf YouTube finden: „Davaj Čičo“. Das Lied wurde dann auf zwei Viertel gespielt. Ich habe den Tanz das erste Mal gesehen in Saint Louis, Missouri. Dort leben viele Nordbulgaren. Sie tanzen ihn auf jeden Čoček. Es ist interessant, das ist kein Čoček. Es sind drei Takte. Aber statt Schritt – Schritt – Schritt – da-da, Schritt – da-da machen sie eins-zwei-drei-vier-fünf-sechs-sieben, eins-zwei-drei, eins-zwei-drei-vier-fünf-sechs-sieben, eins-zwei-drei, was wirklich ihrer Art zu tanzen entspricht: viel Schnelligkeit, viel Bewegung, Kreuzschritte usw, das ist typisch nordbulgarisch. Also wir haben diesen Tanz auf die Musik gemacht.

Dann habe ich Varianten gemacht, und zwar die dritte von Iliana Božanova und die Varianten vier, fünf und sechs hat Julian Jordanov gezeigt. Er kommt aus Nordbulgarien. Iliana hat in der Gegend von Vidin und in Nordwestbulgarien geforscht. Ein Musiker bei uns in Amerika, der in Psychologie promoviert hat, ist Vlache aus der Gegend; er tanzt das auch. Er brachte seine Mutter zu unserem Folklorecamp; sie kennt auch alle diese Tänze – nicht den Čičovata, weil er zu neu ist, aber sie hat ganz tolle nordbulgarische Tänze, z.B. die Šira, mit mir getanzt. Čičovata, wie gesagt, ist das Lied von Esma und man sieht, wie es wandert von Skopje nach Nordbulgarien … und später findet man es in Rumänien und sogar in der Türkei.

(1) Siehe hierzu auch: Musik und Politik

Zu Čičovata/Davaj Čičo siehe auch den Beitrag von JWK.