Ein Kommentar zu einem Tanzlied aus dem Pirin aus „33 bulgarische Tanzlieder“ von Jutta Weber-Karn und Herwig Milde.
Die blonden Haare nennt der weithin bekannte Tanz (1) in seinem Titel, bzw. das Tanzlied in seiner Anfangszeile, in den folgenden Strophen geht es weiter mit Kamm, hellem Teint und weißer Schminke:
// Rusi kosi imam, grebenče si nemam. //
Refrain:
Eleno, vino cârveno, Eleno, dve cârveni jabuki.
// Grebenče si nemam, nema koj da kupi. //
Eleno, …
// Belo lice imam, belilce si nemam. //
Eleno, …
Da me ženi mama za mlado ergenče,
da me kupi, ludo, grebenče, belilce.
Eleno, … (kyrillisch s. Fußnote 2)
Übersetzung:
Blonde Haare habe ich, einen Kamm habe ich nicht.
Refrain: Elena, roter Wein, Elena, zwei rote Äpfel.
Einen Kamm habe ich nicht, niemanden, der ihn [mir] kauft.
Ein weißes Gesicht habe ich, weiße Schminke habe ich nicht.
Mama soll mich an einen jungen Mann verheiraten,
der soll mir einen Kamm und weiße Schminke kaufen.
Viele bulgarische Lieder berichten über Mädchen mit weißem Gesicht (belo lice) – das über Jahrhunderte vorherrschende traditionelle Schönheitsideal. Mädchen und junge Frauen schützten ihr Gesicht bei der Arbeit im Freien vor der Sonne und nutzten natürliche Kosmetik, um einen noch helleren und damit schöneren Teint zu bekommen. Man trug Zitronensaft auf, pur oder in Kombination mit verschiedenen Kräutern, ebenso wurden Aufgüsse von Petersilie oder Löwenzahnblüten verwendet. Zur Rotfärbung der Lippen aß man im Frühjahr möglichst viele Kirschen; oder man benutzte grüne Walnußschalen, die einen bräunlichen Farbton ergaben.
Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich in Bulgarien die professionelle Kosmetikherstellung durch Apotheker und Balsamhändler. Deren weiße und rote Cremes erfreuten sich großer Beliebtheit, hatten aber vor allem bei der Landbevölkerung ein sehr anrüchiges Image. Das Lied „Gigo, mamin Gigo“ (gesungen von Slavka Sekutova) berichtet darüber, daß ein junger Mann keine Braut aus der Hauptstadt Sofia haben wolle, da die Mädchen dort rote und weiße Schminke verwenden. Die Mädchen aus der Provinzstadt Radomir wären ihm lieber, die wären von Natur aus „weiß und rot“ – was als Sinnbild für „schön und gesund“ verstanden werden kann.
Mit der Zeit fand die weiße Schminke zunehmend ihren Weg aufs Land – nicht unbedingt zum Wohle der Benutzerinnen, denn außer tierischen und pflanzlichen Ölen, Rosenwasser, Zinkoxid und Zinnober enthielten diese Zubereitungen oft auch hochgiftiges Quecksilber und Blei.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts lösten industriell hergestellte Kosmetika die Produktion der Apotheker und Balsamhändler ab. (3)
(1) aus dem Programm von Jaap Leegwater, Tanzbeschreibung auf herwigmilde.de
(2) kyrillisch:
Руси коси имам, гребенче си немам.
Рефрен:
Елено, вино цървено, Елено, две цървени ябуки.
Гребенче си немам, нема кой да купи.
Елено, …
Бело лице имам, белилце си немам.
Елено, …
Да ме жени мама за младо ергенче,
да ме купи, лудо, гребенче, белилце.
Елено, …
(3) Quellen:
Georgiev, Georgi: Kosmetikata na našite babi (Георгиев, Георги: Козметиката на нашите баби), http://propackmagazine.bg, 14. 10. 2011.
Bezovska, Albena: „Na tânka ustni červilo, na bjalo lice belilo” (Безовска, Албена: „На тънки устни червило, на бяло лице белило”), Radioreportage, Radio Bulgaria (www.bnr.bg), 05. 12. 2013 um 09:28 Uhr.