Neulich wurde ich gefragt: „Verkaufst du Musik zu all den Tanzbeschreibungen, die du auf deiner Website hast?”
Eine in zweierlei Hinsicht merkwürdige, aber auch nicht ungewöhnliche Frage. Nicht ohne Grund warne ich in den Erläuterungen zu meinen Tanzbeschreibungen davor, diese zum Praxiserwerb zu benutzen – ich kenne ja „meine Pappenheimer”. Auch dieser Frager scheint „das Pferd von hinten aufzuzäumen” und sich mit Hilfe der Tanzbeschreibungen und der Musik, die er noch nicht hat, die Tänze aneignen zu wollen. Und wer den Folkloretanzmusikmarkt kennt, weiß von den Schwierigkeiten, bestimmte Musikaufnahmen legal zu erwerben – um nicht zu sagen: Es ist meist unmöglich. Mein Korrespondenzpartner fragte also anscheinend, ob ich Raubkopien verkaufe.
Darauf wollte ich mich nicht einlasssen, obwohl es ja eigentlich völlig logisch ist, daß jemand, der meine Tanzbeschreibungen benützt, dann auch nach der dazugehörigen Musik fragt. Ich verkaufe aber – anders als es leider in der Folkloreszene üblich ist – keine Musik, an der ich keine Rechte habe, sei es als Urheber oder als Lizenzinhaber. Ich verwies ihn also an die einschlägig bekannten Bezugsquellen, die aber – so wurde mir bald klar – für ambitionierte Folkloretänzer völlig unergiebig sind. Wir haben eben in Deutschland keinen gut sortierten Folkloremusikhandel.
Das Interesse der Folkloretanzpraktiker an möglichst gut passender Musik ist absolut nachvollziehbar. Ohne Musik kann niemand tanzen. (Sicher, es gibt ein paar ganz seltene Ausnahmen.) Als es noch keine Möglichkeit gab, Musik aufzunehmen und diese Aufnahmen zu kopieren, wurde der Volkstanz von Musikern begleitet. Diese kamen i.d.R. vom deutschen Volkstanz her und waren entsprechend wenig vertraut mit den spezifischen Eigenheiten der südosteuropäischen Musik, ihrer Dynamik und ihrer Rhythmik, vom Klang der Instrumente ganz zu schweigen.
Das änderte sich mit dem Aufkommen der ersten Magnettonbandgeräte für den Amateurbereich ab Anfang der 1950er Jahre. Die Kompaktcassette erleichterte die Arbeit mit der Musik erheblich, aber erst die CD – die beschreibbare! – ermöglichte den sofortigen Zugriff auf einen bestimmten Titel. Mit einer Tonbandspule hatte man bis dahin erhebliche Probleme, den Beginn eines Musikstückes zu treffen und riskierte beim Hin-und-herspulen einen Bandsalat, der die Aufnahmen vernichten konnte. Mit der MC und erst recht der CD-R begann nun das fleißige Kopieren und die Weitergabe dieser Kopien. Niemand dachte sich etwas dabei; das Stichwort Urheberrecht tauchte erst später allmählich in der Debatte auf. Es dauerte, bis einige Akteure sich dessen bewußt wurden, daß sie Rechte von Musikern und Musikproduzenten verletzten. Es sieht so aus, als ob dieser Gedanke sich bei vielen immer noch nicht durchgesetzt hat.
Um diesem Raubkopieunwesen etwas entgegenzusetzen, haben die einen die Musik nachgespielt (Ohrwurm, Ursoaica), die anderen Lizenzen an bestehenden Aufnahmen eingekauft (Michel Hepp, Loneux), wieder andere die Musik von authentischen Gruppen neu einspielen lassen (Loneux). All diese ehrenwerten Bemühungen, Folkloretanzmusik auf CD bereitzustellen, helfen vielfach dann nicht weiter, wenn der Tanzleiter nach der Originalaufnahme sucht – ein durchaus nicht überzogener Anspruch, wenn man die motivierende und energetisierende Wirkung einer gut gespielten Tanzmusik bedenkt. Selbstverständlich sucht er weiter, wenn die vorhandene Musik nicht „zündet” oder eine Musik B als Tanz A „verkauft” wird, dessen Lizenz zum Original nicht zu haben war. In diesem Fall ist m.E. nicht viel dagegen einzuwenden, wenn man sich gegenseitig mit den gesuchten Aufnahmen aushilft, vor allem wenn sie auf dem Markt nicht (mehr) angeboten werden. Es ist völlig klar, daß auch diese Praxis gegen Urheberrechte verstößt. Sie ist aber unumgänglich und zielt nicht auf einen materiellen Vorteil. Der Schaden ist geringfügig und das Risiko, belangt zu werden, ebenso.
Etwas völlig anderes ist es, wenn jemand Gewinne erwirtschaftet mit Kopien, die ihm nicht gehören, z.B. mit 15,00 € pro selbstgebrannte CD, wie inzwischen bei fast jedem Folkloretanz-Wochenendkurs zu beobachten ist. Der gewerbliche Vertrieb von Raubkopien ist eine Straftat. Eigentlich dürften solche CDs nicht mehr als 5,00 € kosten, im Sinne einer Aufwandsentschädigung lediglich für Material und Arbeitszeit.