Bela Rada

Von der guten alten Bela Rada aus Serbien sind 3 Varianten in unsere Tanzszene eingeführt worden:   

1. Diejenige, die wir seit den frühen siebziger Jahren kennen und tanzen. Sie ist bereits 1955 in den Tanzbeschreibungen des Stockton Folk Dance Camps Seite 51 von Dick Crum (1) beschrieben. Eine deutsche Tanzbeschreibung gibt es hier, die Noten hier.  Die Folkraft CD 2904 „Anthology of Folklore Music Vol. 4 – Serbia 1” (Aufnahmen von 1963, 1964 u. 1982, CD produziert 1998), deren Bela Rada klingt wie die zu unserem Tanz, gibt Leskovac an: „a dance from Leskovac in southern Serbia”; sie ähnelt aber eher der Variante aus der Šumadija (s.u. Var. 3) als der folgenden aus Leskovac. Kennern wird auffallen, daß wir es hier mit genau derselben Schrittfolge wie beim südserbischen Čačak zu tun haben: R L R L ⎮ R – L – ⎮ R – L R ⎮ L – R – ⎮ L R L – ⎮. 

Hörprobe: Bela Rada aus Šumadija

2. Desa Djordjević hat in den achtziger Jahren eine Bela Rada aus Leskovac, Bezirk Jablanica in Südserbien, mitgebracht. Diese ist in einem Kursvideo von 1984 zu sehen (Tanzbeschreibung auf herwigmilde.de). Eine dynamische Aufführung dieser Variante zeigt eine „Talija Art co.” auf YouTube. Deren kraftvoller Stil ist auf dem Bildschirmfoto deutlich erkennbar an den hoch angehobenen Knien des freien Beins, vor allem bei den jungen Männern.

„Talija Art co.“: Bela Rada (Leskovac)

Die zweite Bela Rada unterscheidet sich stark von der o.g. Variante 1, sowohl im Hinblick auf die Schritte als auch auf die begleitende Musik. Sie besteht ausschließlich aus gekreuzten Laufschritten und Kreuzschritten am Platz; die charakteristischen „Zopf”-Figuren fehlen. Ein besonderer Charme dieser Variante und ihrer Musik besteht darin, daß sie einen gesungenen Teil enthält; aus dem Lied erschließt sich der Name und die Bedeutung der Bela Rada (dt.: „schöne Rada”) – es handelt sich um männliches Liebeswerben und fein angedeutetes weibliches Eingehen darauf. Der Text ist in den Noten und der Tanzbeschreibung zu sehen. 

Hörprobe: Bela Rada aus Leskovac

3. Von Vladimir Tanasijević kennen wir eine Bela Rada aus der Šumadija, Zentralserbien (Tanzbeschreibung auf herwigmilde.de). Er hat sie u.a. 2007 in Heidelberg gelehrt. Sie ähnelt weitgehend der frühen Variante (s.o. Nr. 1.), hat aber neben dem ersten Teil mit „acht Takten” einen zweiten mit „zehn” – Vladimir Tanasijević zählt als Viertel, was bei uns (Tanzbeschreibungen und Noten) Achtel sind, d.h. bei uns: Teil 1 = 4 Takte, Teil 2 = 5 Takte. Reizvoll ist der Wechsel von Konkordanz (1. Teil) zur Diskordanz im zweiten Teil: die fünf Takte decken sich nicht mehr mit der viertaktigen Struktur der Musik. Ein Vergleich der Schrittfolgen der o.g. Variante 1 und des 2. Teils der Bela Rada aus Šumadija legt die Vermutung nahe, daß es sich bei beiden um denselben Tanz handelt.  

Neben diesen drei im hiesigen Folkloretanz eingeführten Varianten gibt es auf YouTube noch eine Variante Nr. 

4. aus Niš in Südserbien, präsentiert von einer ungenannten Laiengruppe (2). Diese ähnelt stark der Variante Nr. 1 (die „frühe” Bela Rada). Die Ausführung ist allerdings in mehrerer Hinsicht schlichter (Tanzbeschreibung auf herwigmilde.de): Das Tempo der live auf dem Akkordeon begleiteten Bela Rada ist erheblich gemächlicher als die übrigen Varianten und die Schritte bodenverbunden und schnörkellos. Liegt hier eventuell eine „strukturerhaltende Vereinfachung” ad usum delphini vor – um die Laientänzer nicht zu überfordern? 

Unterm Strich reduziert sich bei genauerer Betrachtung die Variabilität der uns bekannten Bela-Rada-Versionen auf zwei: die Nummer 2 aus Leskovac und die Nummer 3 aus Šumadija. Bei der Musik handelt es sich ohnehin lediglich um zwei Melodien: die eine der Varianten 1, 3 und 4 und die andere der Bela Rada aus Leskovac. 


(1) Stockton Folk Dance Camp 1955 Syllabus, S. 51

(2) https://www.youtube.com/watch?v=NQT44LOCz88