Das Lied von Iancu Jianu

Beispiel einer rumänischen Heldenballade

Über den Jianul de la Slănic („Hora Libertatea”) haben wir vor einiger Zeit geschrieben – über Jianul, Slănic, die Freiheit und Haiducken, über die Melodie und den Tanz. Aber das Lied, das ja die Basis dieses Tanzes und der dafür verwendeten Musik bildet, sowie sein Text mit der Geschichte, die er erzählt, kamen damals zu kurz. Das wollen wir hier nachholen.  

Daß wir das Lied zunächst nicht in unsere Ausführungen einbezogen, hat einen naheliegenden Grund: Für den Tanz Jianul de la Slănic wurde eine rein instrumentale Einspielung mit Gheorghe Zamfir (Panflöte) verwendet. Da die Melodie aber „Cîntecul Jianului” oder„Cîntec lui Iancu Jianu“ (auch „Balada lui I. J.”) – dt.: Lied oder Ballade des Jianu bzw. des Iancu Jianu – heißt, wurden wir neugierig. Auf YouTube fand sich u.a. eine beeindruckende Aufnahme aus dem rumänischen Fernsehen mit Daria Moanță (1), einer Nachwuchssängerin aus Caracal in Oltenien. Zum Zeitpunkt der Aufnahme gerade einmal 8 oder 9 Jahre alt, singt sie diese Heldenballade mit einer umwerfenden Ernsthaftigkeit und fast professioneller kräftiger Stimme, begleitet von den Brüdern Nistor, drei alten Männern, die einen köstlichen Kontrast dazu abgeben.

Der Text dazu war ebenfalls schnell gefunden. Wir setzten uns gleich an die Übersetzung (Monika und Marius Unterreiner unterstützten uns bei besonders kniffligen Problemen) und gerieten von einer Überraschung in die andere. Da schälte sich – Vers für Vers – aus dem Text eine martialisch und blutrünstig anmutende Erzählung heraus, gesungen, wie gesagt, von einem zarten kleinen Mädchen – ein noch viel stärkerer Kontrast: der zwischen der Person der Sängerin und ihrem Text. Anscheinend wachsen Kinder in Rumänien heute noch ganz selbstverständlich mit der Haiduckenhaftigkeit der Haiducken auf.  

Hier der Liedtext (2): 

Cîntecul lui Iancu Jianu

Frunzulita trei lămâi,
Trei lămâi și trei gutui,
Iancule, de unde vii?
Ia, de-aici de peste Jii!
Iancule, ce-ai târguit?
Câteva oca de plumb,
Să duc la copii în crâng, măi!

Am copiii cam zglobii,
Trag la gloanțe pe pustii!
Trag la gloanțe pe pustii,
Nu ca mine-n carnuri vii,
La netezul părului,
În calea sufletului,
Unde-i păs ciocoiului, mai!

Da-te, Iancule, legat!
Și de plumbi nevătămat!
Lăsa haiduciile,
Că-ti dau boieriile!
Și ai să mi te port gătit
Numai-n aur și-n argint,
Din creștet pănă-n pământ, mai!

Aoleu, ciocoi baltat,
Sunt trei ani de când te cat!
Sunt trei ani și-o săptămâna,
Dar azi mi te-am prins la mâna!
Să-ti jupoi ale picioare,
Să-mi fac tocuri la pistoale,
Să-mi fac tocuri la pistoale!

Ia stați, voi, ciocoi, pe loc!
Să tragă Iancu de-un foc!
Că mi-e pușcă ruginită,
De vreun an neslobozita!
În ciocoi o slobozea,
Care mai putea fugea,
Care nu mort rămănea, mai!

Das Lied von Iancu Jianu

Blättchen drei Zitronen,
drei Zitronen und drei Quitten,
Iancu, woher kommst du?
Nun, von hier über den Jiu!
Iancu, was hast du gekauft?
Ein paar Unzen Blei,
um sie [zu] den Jungs ins Gehölz zu bringen, he! 

Ich habe ziemlich muntere Jungs,
sie schießen Geschosse in die Wildnis,
sie schießen Geschosse in die Wildnis,
nicht wie ich in lebendiges Fleisch!
in die Stirn,
in die Brust –
wo es dem Bojaren weh tut! 

Lass dich fesseln, Iancu!
Und vom Blei unverletzt!
Lass’ die Haiduckentaten,
dass ich dir die Reichtümer gebe!
Dann wirst du herausgeputzt sein,
nur in Gold und in Silber
von Kopf bis Fuß, he!

Ach, grauer Bojar,
drei Jahre bin ich hinter dir her,
drei Jahre und eine Woche,
aber heute habe ich deine Hand gepackt!
Um dir die Füße zu häuten,
um mir ein Pistolenholster zu machen!

Bleibt stehen, ihr Bojaren, auf der Stelle!
Dass Iancu einen Schuss abgibt!
Denn meine Flinte ist rostig,
seit etwa einem Jahr nicht abgefeuert!
Auf den Bojaren feuerte er sie ab,
der noch fliehen konnte,
der nicht tot liegen blieb, he!

(Dt. von Herwig Milde)


(1) Auf YouTube: https://www.youtube.com/watch?v=kTfTecWknvg

(2) Q.: https://www.versuri.ro/versuri/floarea-calota-cantecul-lui-iancu-jianu-_la22.html