Misirlou

Wer kennt nicht den „traditionellen griechischen” Tanz Misirlou! Mir ist er zum ersten Mal Anfang der siebziger Jahre begegnet, als ein US-amerikanischer Student ihn in unsere Uni-Volkstanzgruppe einbrachte, und zuletzt vergangenes Jahr auf einem „Balkan-Tanzhaus”. Wenn man Dick Oakes (phantomranch.net) glauben will, wird er überall in der Welt getanzt (1), mal als „Misirlou”, mal als „Miserlou”.

In einigen Folkloretanzquellen wird der Titel auf einen „Mädchennamen” zurückgeführt, bei Oakes sogar auf einen „ägyptischen Mädchennamen”. Da hat wohl jemand nicht richtig hingehört. Das griechische „misirlou” (μισιρλού) kommt von dem türkischen „mısırlı” und dieses wiederum von dem arabischen „Miṣr”, das „Ägypten” bedeutet. Die türkische Endung „-lı” bezeichnet die Herkunft; wenn es sich also um ein Mädchen handelt, wie es der Liedtext zu erkennen gibt, dann bedeutet „Misirlou” „Ägypterin”. (Und in Ägypten wird wohl niemand ein Mädchen „Ägypterin” nennen …)

Die Melodie hat längst ihren Weg durch diverse populäre Musikstile gefunden. Ihr wird eine „kult-ähnliche Popularität” zugeschrieben (2), was einen nicht wundert, wenn man auf der Suche nach dem Folkloretanz die ersten sechs Seiten der Suchmaschine anschaut; im Juni 2016 startet in den USA ein Action-Thriller mit dem Titel „Misirlou” (3).

Die älteste bekannte griechische Aufnahme des Liedes datiert von 1927 und wurde von dem Griechen Theodotos („Tetos“) Demetriades eingespielt; er stammte aus Istanbul und war bereits 1921 in die USA emigriert. 1919 war eine ägyptische Version aufgenommen worden; ihre Vorläufer sind nicht bekannt. Die ursprüngliche griechische Komposition war ein langsames Rembetiko-Lied, das sich mit seiner orientalischen Melodik gut zur Adaptation an nahöstliche Stile eignete, einschließlich des jiddischen Klezmer; seine lang anhaltende Popularität seit den 30er Jahren ließ Menschen von Marokko bis in den Irak glauben, es sein ein Volkslied ihres Landes. Seit den 40er Jahren bis in unsere Tage entstanden zahlreiche weitere Versionen in den USA, aber u.a. auch in Italien, Serbien, Türkei und Rußland.

Wie aber wurde aus dem Hit ein Tanz?

1945 trat eine Frauenmusikgruppe aus Pittsburgh/USA an Professor Brunhilde E. Dorsch mit der Bitte heran, an der dortigen Duquesne University eine internationale Tanzgruppe zu organisieren und damit die Alliierten der USA im Zweiten Weltkrieg zu ehren. Diese wandte sich an Mercine Nesotas, die einige griechische Tänze lehrte, u.a. Syrtos Haniotikos aus Kreta, den sie Kritikos nannte, für den sie aber keine Musik besaß. Da die Griechisch-Amerikanische Gemeinde von Pittsburgh keine kretische Musik kannte, schlug Pat Mandros Kazalas, ein Musikstudent, vor, Misirlou zu verwenden, auch wenn das Stück langsamer war. Am 6. März 1945 wurde der Tanz in der Stephen Foster Memorial Hall in Pittsburgh aufgeführt. Danach war dieser neue Tanz, eine  Kombination des Syrtos Kritikos mit der langsameren „Misirlou”-Musik, als „Misirlou” bekannt und breitete sich innerhalb der Griechisch-Amerikanischen Gemeinde ebenso wie unter nichtgriechischen Folkloretänzern der USA aus.

Durch sie, d.h. durch US-amerikanische Studenten, kam Misirlou zusammen mit einer ganzen Reihe anderer südosteuropäischer und israelischer Tänze in die Folkloretanzgruppen an unseren Universitäten. Lange dachten wir, Misirlou sei ein traditioneller Folkloretanz aus Griechenland.

Q.: Wikipedia (https://de.wikipedia.org/wiki/Misirlou und https://en.wikipedia.org/wiki/Misirlou),
Dinosaur Gardens – Excavating the tar pits of popular culture (http://www.dinosaurgardens.com/archives/297)

(1) Dick Oakes • Phantomranch http://www.phantomranch.net/folkdanc/dances/misirlou.htm

(2) Dagmar Labitzke • München http://www.daliamuenchen.de/Show/Misirlou.html

(3) International Movie Database http://www.imdb.com/title/tt2273648/