U Kruševo ogin gori

Ein makedonischer Tanz mit einem auffälligen Namen: „In Kruševo brennt es” – nicht etwa „Kruševsko oro”, wie makedonische Tänze sonst meist heißen. Korrekt müßte es lauten „Vo Kruševo ogan gori” (auch „ogin gori”) und so beginnen auch verschiedene Varianten des Liedes. Interessant ist auch der Rhythmus: 18/16 mit der Struktur 2-2-3-2-2-3-2-2 oder kurz-kurz-lang-kurz-kurz-lang-kurz-kurz. (1)

Der Tanz

Das Folkloretanzlabel Folkraft brachte unter der Nr. LP-24 eine Schallplatte mit 13 makedonischen Tänzen, darunter „U Kruševo ogin gori”, heraus und berief sich auf Feldforschungen, die Rickey Holden und Dennis Boxell – laut Plattencover – im Frühjahr 1964 in Makedonien durchführten (2). Das California Kolo Festival 1966 dokumentiert ihn aus einer zweiten Quelle: Atanas Kolarovski, im selben Rhythmus und mit denselben Schritten im ersten Teil (3). Der Tanz hat sich seitdem in der Folkloretanzszene fest etabliert und wird nach wie vor gerne getanzt. Wir haben ihn in den frühen achtziger Jahren kennengelernt; zuletzt, z.B. in Bad Bederkesa 2012, hatte Yves Moreau ihn in seinem Programm. (4)

Das Lied

Die meist benutzte Musik zum Tanz ist die rein instrumentale Aufnahme des Makedonischen Radio-Orchesters Skopje mit Kočo Petrovski von der Folkraft LP-24 (bzw. CD 2902). Hier deutet allein der Titel „In Kruševo brennt es” auf einen dramatischen historischen Vorgang hin. Hintergrund ist der Ilinden-Aufstand gegen die osmanische Herrschaft 1903, bei dem Tausende Aufständische und Zivilisten umkamen (s.u.: der historische Hintergrund).

Daneben existieren jedoch auch gesungene Aufnahmen in nur geringfügig voneinander abweichenden melodischen (teils auch rhythmischen) Varianten (5), denen über den Inhalt mehr zu entnehmen ist. Man muß sich wie immer davor hüten, den jeweiligen, vielleicht nur zufällig in dieser Version vorliegenden, Liedtext als historisch zuverlässigen Bericht zu nehmen. Vielmehr drückt sich im Liedtext aus, was der Sänger (und gewissermaßen „hinter ihm” seine Volksgruppe) aussagen will. Und dies ist in der Regel ein interessierter Text, wie wir hier am Beispiel der Worte „gusta magla” zeigen können.

Hier ein Textbeispiel, wie es von dem KUD Mirče Acev aus dem Tabakkombinat Prilep auf der LP „Bre tutunče, žolto altanče” (Jugoton LPY 61051 von 1974) gesungen wird:

Во Крушево огин гори,
во Крушево густа магла.
Во Крушево густа магла,
в Мечкин камен крв се лее.

В Мечкин камен крв се лее,
там се бијат три војводи.
Там се бијат три војводи,
турска војска три илјади.

Прв војвода Даме Груев,
втор војвода Питу Гули.
Втор војвода Питу Гули,
а третиот Алебакот.

Vo Kruševo ogin gori,
vo Kruševo gusta magla,
vo Kruševo gusta magla,
v Mečkin kamen krv se lee.

V Mečkin kamen krv se lee.
Tam se biјat tri voјvodi.
Tam se biјat tri voјvodi,
turska voјska tri ilјadi.

Prv voјvoda Dame Gruev,
vtor voјvoda Pitu Guli.
Vtor voјvoda Pitu Guli
a tretiot Alebakot.

In Kruševo brennt ein Feuer, über Kruševo liegt dichter Rauch.
Über Kruševo liegt dichter Rauch, am Bärenfelsen wird Blut vergossen.

Am Bärenfelsen wird Blut vergossen, dort kämpfen drei Woi­wo­den.
Dort kämpfen drei Woi­wo­den gegen eine 3000köpfige türkische Armee.

Der erste Woi­wo­de ist Dame Gruev, der zweite ist Pitu Guli.
Der zweite ist Pitu Guli und der dritte Alebakot.

(Übersetzung nach Jutta Malzbender) (6)

„густа магла – gusta magla” lautet in anderen Liedvarianten „грчка мала – grčka mala”, bzw. in manchen mak. Quellen „grčka maala” (für mahala) – in Kruševo, „im griechischen Viertel”. Eine Mitteilung auf der griechisch-vlachischen Webseite vlahofonoi.blogspot.de spricht davon, daß „die bekannten Fälscher” „aus niedrigen Motiven” die Zeile in „gusta magla” abgeändert hätten, um die historischen Tatsachen zu verschleiern (7). Laut Berichten britischer und US-Diplomaten von 1903 plünderten und brandschatzten die Türken nur das (reiche) griechische Viertel, während sie die Bulgaren verschonten (8).

Der historische Hintergrund

1876 war zwar Bulgarien von der osmanischen Herrschaft befreit worden, aber Teile Bulgariens und Griechenlands sowie Albanien und Makedonien waren unter türkischer Besatzung verblieben. 1893 bildeten sich revolutionäre Komitees, die im Untergrund die Befreiung der restlichen Gebiete vorbereiteten. Im Sommer 1903 sollten Aufstände in Makedonien, Thrakien und der Strandža die Befreiung einleiten. Sie waren jedoch schlecht koordiniert – in Makedonien ging es am 20. Juli los, dem Elias-Tag (bg./mak. „Ilinden”, daher die Bezeichnung „Ilinden-Aufstand”) in Ostthrakien dagegen erst 17 Tage später – und die Kämpfer waren militärisch und zahlenmäßig hoffnungslos unterlegen. Das Lied spricht von drei Rebellenführern gegen 3000 Soldaten – Historiker berichten von 26.000 Aufständischen, denen 350.000 Türken gegenüberstanden. Viele Tausend Kämpfer und Zivilisten wurden niedergemacht, hunderte Dörfer zerstört, Zehntausende flohen in die Nachbarländer. (9)


(1) Üblicherweise werden so komplexe Takte als Kombination von zwei grundlegenden Rhythmen aufgefaßt. In diesem Fall wäre das 11/16 + 7/16 (2-2-3-2-2 | 3-2-2) oder umgekehrt: 7/16 + 11/16 (2-2-3 | 2-2-3-2-2). Darüber besteht aber bei unseren Quellen keine Einigkeit.

(2) http://www.folklorediscography.org/Folkraft-LP-24.htm

(3) http://www.socalfolkdance.com/syllabi/syllabus_kolo_festival_1966.pdf

(4) U Kruševo ogin gori – Tanzbeschreibung von Herwig Milde

(5)  Standard: 18/16 (2-2-3-2-2-3-2-2) und Cvetan Jošefski: 7/16 (2-2-3), bzw. eine Liedzeile  mit ihrem Melodiebogen 21/16 (2-2-3-2-2-3-2-2-3)

(6) Quelle: pesna.org
„војвода – vojvoda“ (dt. Woi­wo­de) bedeutet wörtlich „Heerführer”, ein Titel, den die Rebellenführer während der osmanischen Besetzung trugen.

(7) http://vlahofonoi.blogspot.de/2013/12/blog-post_2031.html

(8) http://vlahofonoi.blogspot.de/2012/08/he-holocaust-of-krushevo-events-of-1903.html

(9) Zum Ilinden-Aufstand und der nur zehn Tage bestehenden Republik Kruševo s.a. Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Ilinden-Aufstand, sowie die makedonische Wikipedia mit sehr ausführlichen Berichten und zahlreichen historischen Dokumenten und Fotos: https://mk.wikipedia.org/wiki/Крушевска_Република und https://mk.wikipedia.org/wiki/Илинденско_востание.