– ein Tanz aus Erster Hand
Herkunft
Yves Moreau schreibt in seiner Tanzbeschreibung von 1991: „Abdala, manchmal auch bekannt als Vlaško Dajčovo, wurde von Yves Moreau im März 1970 von Nikola Vajtušev, einem 75-jährigen Mann aus dem Dorf Vrâv, Bezirk Vidin in NW-Bulgarien, gelernt. Dieser Tanztyp ist in mehreren Dörfern entlang der Donau in N.W.Bulgarien überall üblich. Er wird von „Wlachen“ (rumänische Minderheiten) getanzt.“ (Stockton Folk Dance Camp 1991 Syllabus S. 73)
Mehrere wichtige Feststellungen lesen wir da:
Erstens: A. ist ein „Neuner“ im 9/16-Takt mit dem Rhythmus 2-2-2-3 (kurz-kurz-kurz-lang) im Tempo ca. 220 Achtel/Min. Damit reiht die Abdala sich in die große Familie der Dajčovos, einem ursprünglich in NW-Bulgarien beheimateten Tanztyp, ein; die „dajčova“, der charakteristische Tanzschritt des Dajčovo, – hüpf – Schritt – Schritt – Schritt – prägt auch die Abdala.
Zweitens: Die Abdala wurde 1970 vermittelt durch Nikola Vajtušev (75) aus Vrâv, Bezirk Vidin; es ist also ein Tanz aus erster Hand, aus dem Dorfrepertoire, höchstwahrscheinlich nicht choreografiert, im Brauchtum traditionell überliefert.
Drittens: Es handelt sich um einen Tanz der Wlachen, einer romanischsprachigen Minderheit in Nord- und NW-Bulgarien mit engen Verwandtschaftsbeziehungen zu Rumänien. In Košava, Bezirk Vidin, NW-BG, waren 1919 Tänze mit den rumänischen Namen Kaluš (rum. Căluș), Ora Šoldatuluj (rum. Hora șoldatului), Patul u.a. zu sehen. (Siehe auch: Vlachs)
Der Name „Abdala“
gibt Rätsel auf; bg. abdal / абдал (aus dem Türkischen, ursprünglich arabisch): Trottel, Dummkopf – liefert keinen sinnvollen Bezug zum Tanz.
Ein rumänisches Wort dieser Art scheint lt. dexonline.ro nicht zu existieren.
Abdala in der IFD-Szene
A. kam bereits in den Siebzigern durch US-Studenten zu uns nach Freiburg/Br.
Die LP „Bulgarian Folk Dances“ (Balkanton BHA 734), die die Aufnahme zum Tanz enthält, hat Yves Moreau in Bulgarien 1970 produziert.
Yves Moreau hat den Tanz unterrichtet u.a. in San Diego 1970, Stockton 1991, Sankt Johann 1997, Obersteinbach 2003.
Q.:
https://de.wikipedia.org/wiki/Walachen
https://en.wikipedia.org/wiki/Vlachs
https://dexonline.ro/
https://socalfolkdance.org/dances/dances_a.htm
http://www.folkdancecamp.org/syllabi/
Nachtrag:
Abdala: Name und Herkunft
In unserem obigen Artikel über Abdala haben wir geschrieben: „Es handelt sich um einen Tanz der Wlachen“. Das ist keine korrekte Schlussfolgerung aus Yves Moreaux’ Mitteilung, A. werde von Wlachen getanzt („It is danced by ’Vlachs’“).
Wir wissen nicht, aus welchen Gründen Yves Moreau über seine Abdala schreibt, sie werde von Wlachen (1) getanzt. Im Bezirk Vidin, wo er den Tanz gelernt hat, leben tatsächlich viele Wlachen. Mehrere Quellen (2) stellen dagegen fest, dass die Abdala nicht auf Wlachen beschränkt ist und von allen Volksgruppen in NW-Bulgarien getanzt wird – Bulgaren, Wlachen, Rumänen und Roma (Mitt. von Radboud Koop per Mail Februar 2024). Darüberhinaus sind die Abdala-Varianten in mehreren NW-bulgarischen Bezirken verbreitet: in Vidin, Vraca und Montana. Dies sind freilich Gebiete mit wlachischer Minderheit.
Dass alle die Abdala tanzen, ist jedoch lediglich eine Aussage über die Tanzpraxis, nicht über die Herkunft. Ein Wlachentanz kann durchaus von allen Volksgruppen getanzt werden, ohne seinen Ursprung aus der Kultur der Wlachen zu verlieren. Dasselbe gilt für einen Roma- oder einen Pomakentanz. Solche Aussagen nach dem Muster „Aaaaa wird von (der Volksgruppe) Xxxxx getanzt“ oder „Aaaaa ist ein Tanz der Xxxxx“ geben keine Antwort auf die Frage nach der Herkunft des Tanzes Aaaaa. Erstere beschreibt nur die heutige Tanzpraxis und letztere lässt die Frage offen, ob es sich um eine Selbstdarstellung oder eine Fremddarstellung handelt, was sich in der Regel nicht klären lässt – im zweiten Fall erfahren wir nichts über den Ursprung von Aaaaa.
Zum Namen des Tanzes teilt Radboud Koop dankenswerterweise folgendes mit:
Von dem Tanznamen Abda-** gibt es neben Abdala noch die Varianten Abdal, Abdai, Abdajund Aptaj (Аптай).
„Abdala“ heißt es nur bei Yves Moreau (1971, 1991, 1997) (von ihm auch bei Jaap Leegwater, 1983). Häufiger sind „Abdaj / Abdai“ und „Abdal“:
„Abdai (Абдай)“: Iliana Božanova (1997, 1999, 2002, 2008)
„Abdaj (Абдай)“: Diljana Kurdova (2017)
„Abdal“: Daniela Ivanova (2005, 2008), Nikolaj Cvetkov (2008, 2011)
Eventuell erklärt sich Y.Ms. „Abdala“ als grammatische Form. Demnach wäre „Abdala“ einfach der Objektkasus (casus obliquus) von „Abdal“.
(1) Wlachen, eine Minderheit in Bulgarien und Nachbarländern, die eine mit dem Rumänischen verwandte Sprache spricht; auch ihre Tänze sind mit rumänischen verwandt.
(2) Iliana Božanova und Diljana Kurdova sowie das Buch des Akademischen Verlags „Marin Drinov“: Живи човешки съкровища – България (2004)