Heißt es richtig Brâul oder Brîul? Und was ist mit Învîrtită? Warum gibt’s keine Ânvârtită? Aber eine Hora mare a Cîmpulungului macht langsam einer H. m. a Câmpulungului Platz. Meine Generation von Folkloretänzern muß mit einer gewissen Irritation leben und sich dran gewöhnen – „früher” lagen die Dinge eindeutiger: Brîul und Sîrba usw. schrieben sich immer mit „î”. Jüngeren fällt höchstens auf, daß verschiedene Schreibweisen nebeneinander koexistieren. War die Rechtschreibung früher nicht klarer? Was ist mit Brîul, Sîrba und ihren „Leidensgenossen” passiert? Dazu muß man in der Geschichte der rumänischen Sprache weiter zurückblicken.
Das Rumänische wurde im Laufe der Geschichte mit alten europäischen Runen, im lateinischen, griechischen, glagolitischen, altslawischen, kyrillischen und schließlich wieder im lateinischen Alphabet geschrieben. Diente die kyrillische Schrift nach dem Schisma von 1054 zur Abwehr katholischer Einflüsse, wurde man sich im 19. Jh. der lateinischen Ursprünge der rumänischen Sprache bewußt. 1862 wurde das kyrillische durch ein erweitertes lateinisches Alphabet ersetzt. Dabei entsprechen alle Vokal- und die meisten Konsonantenbuchstaben jeweils genau einem Laut; das Rumänische besitzt somit heute eine „phonetische” Orthographie (ganz im Gegensatz zum Französischen, dessen Schrifttum eine kontinuierliche aber wechselvolle Geschichte von der romanischen über die altfranzösische bis zur modernen französischen Sprache hinter sich hat und in der Orthographie bis heute Reste alter Sprachzustände aufweist, die heutigen Schreibern – französischen ebenso wie nichtfranzösischen – die bekannten Kopfschmerzen bereitet). Die schriftliche Wiedergabe der Laute lehnt sich teils ans Italienische und teils ans Französische an (z.B. ist wie im Italienischen rum. „-ce-” wie „-tsche-” und „-ci-” wie „-tschi-” zu lesen, aber „-ca-” wie „-ka-”, „-che-” wie „-ke-” und „-chi-” wie „-ki-”).
Heute umfaßt das rumänische Alphabet das lateinische Alphabet mit den Sonderzeichen ă, â, î, ș und ț. Die Buchstaben ă, â und î stehen für einen dumpfen Laut, ähnlich wie im Dt. am Wortende: Pause, Laute, wobei â und î etwas heller klingen (lautschriftlich [ɨ]) als das ă (lautschriftlich [ə]); ș entspricht dt. „sch” und ț dem dt. „z”.
Vor 1862 enthielt das rumänische Alphabet außerdem noch die Buchstaben û, â, ê und î, deren korrekte Verwendung allerdings vielen Menschen große Schwierigkeiten machte, da sie vor allem etymologisch begründet waren, sich aber lautlich kaum voneinander unterschieden. Daher wurde eine neue Rechtschreibung eingeführt, nach der sämtliche [ɨ]-Laute mit „î” geschrieben werden sollten. Mit der Rechtschreibreform von 1993 wurde in einer Art Rückbesinnung auf die lateinischen Ursprünge das â zusätzlich zum î wieder eingeführt. Nach der neuen Regelung wird am Wortanfang und am Wortende î und in der Wortmitte â geschrieben. Eine „Ânvârtită” z.B. hätte sonst in allen Lexika anders eingeordnet werden müssen als die „Învârtită”. Und obwohl in älteren Dokumenten naturgemäß noch „Brîul” und „Sîrba” steht, ist die amtlich korrekte heutige Schreibung Sârba, Brâul, Învârtită und Câmpulung.
(Q.: https://de.wikipedia.org/wiki/Rumänische_Sprache und https://ro.wikipedia.org/wiki/Limba_română#Ortografie)