Abdala: Name und Herkunft

Nachtrag

In unserem ersten Artikel über Abdala haben wir geschrieben: „Es handelt sich um einen Tanz der Wlachen“. Das ist keine korrekte Schlussfolgerung aus Yves Moreaux’ Mitteilung, A. werde von Wlachen getanzt („It is danced by ’Vlachs’“). 

Wir wissen nicht, aus welchen Gründen Yves Moreau über seine Abdala schreibt, sie werde von Wlachen (1) getanzt. Im Bezirk Vidin, wo er den Tanz gelernt hat, leben tatsächlich viele Wlachen. Mehrere Quellen (2) stellen dagegen fest, dass die Abdala nicht auf Wlachen beschränkt ist und von allen Volksgruppen in NW-Bulgarien getanzt wird – Bulgaren, Wlachen, Rumänen und Roma (Mitt. von Radboud Koop per Mail Februar 2024). Darüberhinaus sind die Abdala-Varianten in mehreren NW-bulgarischen Bezirken verbreitet: in Vidin, Vraca und Montana. Dies sind freilich Gebiete mit wlachischer Minderheit. 

Dass alle die Abdala tanzen, ist jedoch lediglich eine Aussage über die Tanzpraxis, nicht über die Herkunft. Ein Wlachentanz kann durchaus von allen Volksgruppen getanzt werden, ohne seinen Ursprung aus der Kultur der Wlachen zu verlieren. Dasselbe gilt für einen Roma- oder einen Pomakentanz.  Solche Aussagen nach dem Muster „Aaaaa wird von (der Volksgruppe) Xxxxx getanzt“ oder „Aaaaa ist ein Tanz der Xxxxx“ geben keine Antwort auf die Frage nach der Herkunft des Tanzes Aaaaa. Erstere beschreibt nur die heutige Tanzpraxis und letztere lässt die Frage offen, ob es sich um eine Selbstdarstellung oder eine Fremddarstellung handelt, was sich in der Regel nicht klären lässt – im zweiten Fall erfahren wir nichts über den Ursprung von Aaaaa. 

Zum Namen des Tanzes teilt Radboud Koop dankenswerterweise folgendes mit: 

Von dem Tanznamen Abda-** gibt es neben Abdala noch die Varianten Abdal, Abdai, Abdaj und Aptaj (Аптай).
„Abdala“ heißt es nur bei Yves Moreau (1971, 1991, 1997) (von ihm auch bei Jaap Leegwater, 1983). Häufiger sind „Abdaj / Abdai“ und „Abdal“:
„Abdai (Абдай)“: Iliana Božanova (1997, 1999, 2002, 2008)
„Abdaj (Абдай)“: Diljana Kurdova (2017)
„Abdal“: Daniela Ivanova (2005, 2008), Nikolaj Cvetkov (2008, 2011)

Eventuell erklärt sich Y.Ms. „Abdala“ als  grammatische Form. Demnach wäre „Abdala“ einfach der Objektkasus (casus obliquus) von „Abdal“


(1) Wlachen, eine Minderheit in Bulgarien und Nachbarländern, die eine mit dem Rumänischen verwandte Sprache spricht; auch ihre Tänze sind mit rumänischen verwandt.

(2) Iliana Božanova und Diljana Kurdova sowie das Buch des Akademischen Verlags „Marin Drinov“: Живи човешки съкровища – България (2004)

Ein Gedanke zu „Abdala: Name und Herkunft

  1. „Aussagen nach dem Muster „Aaaaa wird von (der Volksgruppe) Xxxxx getanzt“ oder „Aaaaa ist ein Tanz der Xxxxx“ geben keine Antwort auf die Frage nach der Herkunft des Tanzes Aaaaa.“ So stellt der Artikel fest.
    Diese Frage nach dem Ursprung eines Tanzes in einer Ethnie können letztlich – wenn überhaupt – nur die Ethnochoreologen beantworten, d.h. diejenigen Wissenschaftler, die sich mit dem traditionellen Tanz der verschiedenen Volksgruppen (Ethnien) befassen, und auch nur dann, wenn sie den Ursprung in einer bestimmten Ethnie belegen können. Wie problematisch solche ethnischen Zuschreibungen sind, wird am Beispiel der „jugoslawischen“ Tänze deutlich, die bis spätestens zum Zerfall Jugoslawiens in der Freizeittanzszene gebräuchlich waren. Dann darf man fragen: Sind denn alle Tänze, die in Bulgarien getanzt werden, „bulgarische“ Tänze? Gerade in den Ländern Südosteuropas (wenn nicht sogar in allen Ländern Europas) leben jeweils mehrere unterschiedliche Ethnien. So sind die Einwohner Bulgariens alle „Bulgaren“ im zivilrechtlichen Sinn, aber nicht alle „ethnische“ Bulgaren. Selbstverständlich benötigen wir alltagstaugliche Bezeichnungen. Wir sollten uns aber bewusst sein, wie diskutabel solche Ausdrücke sind, auch wenn sie „eingebürgert“ sind und nicht mehr wegdiskutiert werden können.

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