Hora spoitorilor – ein Ziegeunertanz? 

„Kann man die Hora spoitorilor geographisch zuordnen,” wurden wir kürzlich gefragt, „z.B. Oltenien oder Muntenien? Auch wenn sie ursprünglich von Zigeunern getanzt wurde?” 

Die Frage trifft wieder mal haargenau ins Rabenschwarze unserer Folkloretanzszenenphänomene …  

Erstens: Woher? 

Aus unseren Quellen ergibt sich für den Tanz Hora spoitorilor keine genauere Herkunftsregion in Rumänien. Überraschend ist das nicht, denn die David-Brüder (Alexandru und Mihai) haben sie aus dem Ensemble „Perinița“ mitgebracht. Es ist also mit Sicherheit eine Choreographie, die im Bukarester Ensemble geschaffen wurde. Wenn es überhaupt jemals einen genaueren geographischen Ursprung gegeben hat, ist er auf diesem Weg irgendwo verloren gegangen: Bukarest 1966, USA 1969 (Mihai D.) bzw. 1973 (Alexandru D.), Deutschland 1980. Allerdings hat Alexandru David später meist die Regionen mit angegeben. Seine Musikaufnahmen nannte er ab etwa Mitte der 1980er Jahre „Village Dances of Romania”, womit er vermutlich ausdrücken wollte, dass es sich bei diesen Tänzen um lokalisierbare, traditionelle Folklore und nicht um Bühnenchoreographien handelte. 

Die Quellen der Folk Dance Federation of California, auf die in der Regel Verlass ist, weil offensichtlich gewissenhaft gemacht, schreiben: 

  • „Tanz der Silberschmiede … Dick Oakes lernte diesen Tanz von Mihai David, der ihn 1966 lernte, als er noch in Rumänien war und mit dem Staatlichen Ensemble „Perinița“ tanzte.” (1)  
  • „Ein Zigeunertanz, von Silberschmieden getanzt” (2) 
  • „Ein Reihentanz aus Bukarest, den Alexandru David lernte, als er mit dem Staatlichen Ensemble „Perinița“ tanzte” (3)  
  • Die Tanzbeschreibung in den Stockton Syllabi, 1973 entstanden (4), schweigt sich völlig aus über den Namen des Tanzes und über seine genauere Herkunft; „Romania” ist alles. 

Alexandru David hat die Hora spoitorilor 1980 bei uns in Freiburg gelehrt. Ob und was er damals mündlich über den Namen des Tanzes und seinen Ursprung mitgeteilt hat, ist nicht mehr festzustellen. Wir haben von ihm generell nichts über die Tänze erfahren – was ihm nicht unbedingt anzulasten ist: Ein Interesse an solchen Informationen war (noch?) nicht vorhanden. Wir kamen auch gar nicht auf die Idee, danach zu fragen; die Tänze „waren einfach da”, ihre Existenz und Eigenart wurden nicht hinterfragt, und „rumänisch” – also nicht „jugoslawisch” – war Detailinformation genug. Diese Unbedarftheit spiegelt sich auch in den wenigen schriftlichen Quellen über die Hora spoitorilor wider, die zum Glück! dankenswerterweise! schon damals in den USA archiviert wurden: Wenn überhaupt etwas über den Tanz mitgeteilt wird, lesen wir in einer Quelle „Tanz der Zigeuner-Silberschmiede” („dance of the Gypsy silver workers”), was in der nächsten zu „ein Zigeunertanz, der von Silberschmieden getanzt wurde” („a gypsy dance done by silver workers”) mutiert. 

Festzuhalten ist also, dass wir für die Hora spoitorilor über keine genauere geographische Herkunftsangabe innerhalb Rumäniens verfügen als das Staatliche Ensemble „Perinița“ in Bukarest. 

Zweitens: Wer? 

Wurde die Hora spoitorilor ursprünglich von Zigeunern getanzt? Wir glauben das nicht. Ebensowenig, dass sie gar ein „Zigeunertanz” („a gypsy dance”, s.o.) wäre. Sicher ist aber, dass sie an einer bestimmten Stelle eine charakteristische Bewegung der „Kesselflicker” (oder Kupferschmiede, eigentlich der Verzinner, rum. spoitori, – das sind die Handwerker, die die Kupferkessel mit einer Schicht aus Zinn auskleiden) darstellt. Diese Bewegung besteht aus wiederholten Drehungen der parallelen Füße auf dem Ballen (5). Aus welcher sozialen Gruppe der Tanz ursprünglich kommt – das heißt, bevor er bei „Perinița“ zu dem Tanz, den wir kennen, choreographisch komponiert wurde –, ist damit längst nicht klar. Vielleicht haben die Verzinner sich damit selbst dargestellt, vielleicht wurden sie aber auch von anderen dargestellt. 

Die Verzinner oder die Kesselflicker, wohlgemerkt. Nun waren die früher oft (oder meist) Zigeuner. Aber dadurch wird aus einem Tanz, der eine Bewegung der Verzinner darstellt, noch lange kein Zigeunertanz (s.o.: „a gypsy dance”). Diese Kurzschlüsse kommen in unserer (westlichen) Folkloretanzszene öfter vor – es gibt haufenweise, gelegentlich groteske, Beispiele für allzu vorschnelle laienhafte Übersetzungen (z.B. Lămâiță = Zitrönchen, „little lemon” oder Alunelul = Haselnuss, „hazelnut”) oder frei erfundene Namensdeutungen, wie bei Jianul din Slanic: „Slanic war ein Hajduke, …” (6). 

Mehr zum Thema „Tanz der Xyz” steht im Artikel über Boereasca auf Tanzrichtung

Es ist uns völlig klar, dass wir hiermit das Bedürfnis nach handfesten Informationen, die man weitergeben kann, nicht befriedigen konnten. Leider sind auf diesem Gebiet die Informationen sehr oft eben nicht handfest und was man weitergeben könnte, ist für den Geschmack vieler Tänzerinnen zu komplex. Aber: „Isso”. 

Die Musik zum Tanz

Zu guter Letzt wollen wir noch ein paar Takte der Musik widmen. Mihai und Alexandru David nahmen auf ihrer LP „Gypsy Camp vol. II” einen Titel aus der LP „Muzică populară muntenească şi oltenească“, Electrecord EPE 0382 (1968) auf, gespielt vom Orchestra Zissu Georgescu und dem Mundharmonikasolisten Horațiu Frîncu (7). Immerhin haben wir hier im Titel der LP einen Hinweis, dass die Musikaufnahme aus Muntenien oder Oltenien stammen soll. 

Hörprobe: Hora spoitorilor aus M. u. A. David – Gypsy Camp vol. II

Noten, die die spezielle Spielweise dieser Aufnahme mit ihren Verzierungen genau nachzeichnen, finden sich auf folkloretanznoten.de. Hier steht schon etwas genauer, dass das Stück aus Muntenien sei.  Nun haben wir doch eine genauere geographische Eingrenzung – aber, das darf man nicht gleichsetzen: nur für die Musik, nicht für den Tanz. Das sind „zwei Paar Stiefel”, wie wir schon mehrfach gesehen haben. 

Bärbel und Jacques Loneux haben die Hora spoitorilor von Alexandru David in ihr Programm „Tänze von der Nordsee bis zum Roten Meer 2” aufgenommen, jedoch auf ihrer CD eine andere, aber ebenfalls passende Aufnahme verwendet (8).

Unser Gewährsmann für rumänische Texte hat uns humoristische Verse zur Melodie der Hora spoitorilor mitgeteilt. (Das sind keine strigături – sie werden mitgesungen.) Wir glauben, wir sollten sie unseren Lesern nicht vorenthalten. 

Lică, Lică,
damigeana-i mică,
damigeana-i mare,
și răchie n-are. 

Lică, Lică (Kosenamen),
die Korbflasche ist klein,
die Korbflasche ist groß,
und kein Schnaps ist drin. 

 


(1) „Dance of the Gypsy silver workers … Dick Oakes learned this dance from Mihai David who learned it while he was still in Romania in 1966 and while dancing with the Romanian state ensemble Perinița.” https://socalfolkdance.org/dances/H/Hora_Spoitorilor_A_Romanian.pdf

(2) „a gypsy dance done by silver workers” https://socalfolkdance.org/dances/H/Hora_Spoitorilor.pdf

(3) „a line dance from Bucharest learned by Alexandru David while dancing with the Romanian State Ensemble Perinița” (https://socalfolkdance.org/dances/H/Hora_Spoitorilor_B_Romanian.pdf

(4) https://static1.squarespace.com/static/5372e7efe4b0cb63d6f65424/t/54bafcd5e4b0226a9012782e/1421540565161/FDC1973.pdf, S. 43

(5) Tanzbeschreibung der Hora spoitorilor auf herwigmilde.de. Diese Drehbewegung kommt in ganz ähnlicher Form auch im makedonischen Kesselflickertanz „Kalajdžisko“ vor. Atanas Kolarovski teilt dazu mit, dass sie die Arbeit des Polierens darstellt.

(6) Siehe unseren Artikel Hora Libertatea oder Jianul de la Slănic.

(7) Die LP Electrecord EPE 0382 wird komplett dargestellt bei Discogs: https://www.discogs.com/release/4344878-Various-Muzică-Populară-Muntenească-Și-Oltenească.

(8) mit dem Orchester Lucian Roșca – Nähere Informationen darüber konnten wir nicht ausfindig machen.