Devollice

Devolli ist eine Region in Südalbanien. Viele Tänze haben Namen nach ihrer Herkunftsregion, wie z.B. Beranče, der höchstwahrscheinlich nach Berat benannt ist, oder Pogonissios nach der Region Pogoni. Devollice wird hauptsächlich von den Albanern am Prespasee getanzt, in Griechenland, Albanien und auch in Makedonien. Ich habe Versionen aus allen drei Ländern gesehen. 1972 habe ich ihn gelernt. Wir waren im Dorf Krani; dort war eine Hochzeit. Das war interessant: der Bräutigam war in einem Zimmer mit den alten Männern; sie saßen da drinnen, er saß ganz ruhig und die alten Männer haben gesungen und geraucht und getrunken und im anderen Haus war die Braut. Sie saß sehr still da und alle anderen Frauen haben getanzt und gesungen. Ich durfte nicht hinein, aber wir hatten eine Dame mit dabei und sie hat es uns erzählt. Draußen, vor den Häusern, wurde gefeiert und alle, die nicht eingeladen waren und der Familie nicht sehr nahestanden, haben draußen stundenlang getanzt und die Musikanten haben so ihr Geld verdient. Wenn es Zeit war für die Musikanten, irgendetwas Rituelles zu spielen, haben sie aufgehört, zum Tanz aufzuspielen und spielten entweder einen Hochzeitszug oder etwas ähnliches. Später wurden die richtigen Hochzeitstänze aufgeführt, der Brauttanz, der der Tanz des Bräutigams, des Vaters, der Freunde. Da tanzten sie oft Devollice, diesen langsamen, zwölftaktigen Tanz. Dabei gehen sie sehr oft in die Knie. Einmal haben wir einen Beranče gefilmt, bei dem ein Tänzer vierzigmal nacheinender in die Knie gegangen ist. Er lachte dabei und wir filmten ihn und er ging wieder und wieder in die Knie – das war lustig.

Wir sprechen nicht Albanisch, Bob auch nicht, wir können nur Makedonisch. Als wir ins Dorf hineinkamen – die Straße war nicht asphaltiert und die Luft war voller Staub von amerikanischen Cadillacs, fünf oder sechs Cadillacs in diesem Dorf! – da schauten diese jungen Leute und sagten „Hey! What’re you doing, guys?“ in perfektem Englisch. Alle diese Jungen lebten in der Nähe von Chicago und waren nur zur Apfelernte da. Sie sind sechs Monate in Amerika und sechs Monate zu Hause. […]

Also die Prespari leben teils noch da, viele leben in den Staaten in Detroit, in London, Ontario in Canada und auch in Australien. Und wie ich gesagt habe, kennen immer weniger Leute diesen Tanz. Ich habe einen großartigen Musikanten gefragt, warum er ihn nicht spielt und er sagte, „Ich habe keinen Trommler, der ihn kann – und die Leute können ihn sowieso nicht mehr tanzen.“ Ich habe ein paar Hochzeiten gefilmt in London, Ontario, wo sie versucht haben, ihn wieder zu tanzen. Ich bin nicht hingegangen: „Nee nee, so geht der!“ Aber sie haben ihn nicht hingekriegt. Leider verschwindet er.

(Stefan Kotansky, Mitschnitt 2000)