Bei der Durchsicht unserer Sammlungen stellen wir mit einiger Überraschung fest, daß es wohl eine ganze Reihe verschiedener Tänze unter dem Namen Mîndrele gibt, die von den achtziger Jahren bis in die jüngere Zeit immer wieder gelehrt wurden, aber in den Tanzprogrammen hierzulande kaum vorkommen. Symptomatisch dürfte eine deutsche Tanzgruppe sein, die sich zwar „Mindrele” nennt, aber keine Mîndrele in ihrem Repertoire hat. Auch nähere Informationen über den Tanz sind spärlich. Selbst die sonst so ergiebigen US-amerikanischen Quellen liefern hierzu fast nichts. Das kann nicht nur an unserem beschränkten Horizont liegen, denn auf einer der LP-Hüllen ist zu lesen, Mândrele sei eine weniger bekannte Hora aus Dolj (Oltenien). (1) Wir versuchen daher zusammenzutragen, was greifbar ist.
Acht Tänze
Aus eigener Tanzerfahrung und aus Tanzbeschreibungen aus den USA kennen wir acht verschiedene Tänze unter dem Namen Mîndrele oder Mândrele (2). Sie unterscheiden sich nicht nur durch ihre Schrittfiguren, sondern auch durch Tempo und Rhythmus, stehen allerdings bis auf einen im 6/8-Takt, meist mit dem Rhythmus ⎮ 1+1+1+2+1 ⎮ oder kurz-kurz-kurz-lang-kurz (♪ ♪ ♪ ♩ ♪) und kommen aus Oltenien.
1. Eine recht langsame Mîndrele de la Băilești hat Bärbel Loneux präsentiert und unter demselben Titel auf der CD „Hai veniți la Joc 6” herausgegeben. Die Aufnahme hat den Rhythmus 2+1+2+1 (lang-kurz-lang-kurz) bei nur 168 bpm (Achtel), während die Schritte sich meist im Rhythmus 2+1+3 (lang-kurz-länger) bewegen. Das choreographische Repertoire besteht im wesentlichen aus Nachstellschritten, Kreuzschritten und „kleinen Schlüsseln”. (Tanzbeschreibung hier)
2. Die verbreitetste Mîndrele ist etwas schneller; die verschiedenen Einspielungen haben ein immer noch moderates Tempo um 200 bpm (Achtel). Das Rhythmusschema ist 1+1+1+2+1. Quellenangaben und Beschreibungen der Schritte führen allesamt von den im Westen tätigen Tanzlehrern Sunni Bloland, Marius Korpel und Bärbel Loneux, die diese Mîndrele präsentiert haben, zu ihrem Ursprung: Theodor Vasilescu. Eine Tanzbeschreibung von ihm selbst bestätigt dies; eine minimale Abweichung in den allerletzten zwei Takten tut dem keinen Abbruch. Die Choreographie dieser Mîndrele mit ihren der musikalischen Taktstruktur häufig widersprechenden Schrittfiguren trägt erkennbar Vasilescus Handschrift. Eine relativ große Vielfalt kennzeichnet diesen Tanz: neben Nachstell- und Kreuzschritten haben wir hier Schrittfolgen im halben Tempo, abrupte Richtungswechsel und ornamentale Fußbewegungen. (Tanzbeschreibung hier)
Mehrere Quellen geben den Ort Obârșia im Kreis Dolj, Oltenien als Herkunft dieses Tanzes an. Es ist ein kleines Dorf in der Gemeinde Dănciulești, Kreis Dolj.
3. Die Mîndrele din Gorj von Leonte Socaciu ist schon erheblich schneller: 262 und 324 bpm bei den beiden von ihm verwendeten Aufnahmen. Bei ihnen ist der 6/8-Takt mit einem Auftakt zu hören: 1 ⎮ 1+1+1+2 (kurz-kurz-kurz-kurz-lang) (3). Rhythmus und Tempo lassen bereits die Nähe zu dem noch schnelleren Rustemul ahnen. Die Tanzschritte bewegen sich dagegen im Rhythmus 2+1+2+1, oft auch mit dem Auftakt: 1 ⎮ 2+1+2, in Form von langsamen Gehschritten, „kleinen Schlüsseln”, „Zopf” und „Chassé”-Schritten. Im Gegensatz zur Nr. 2 haben wir hier eine durchgehende Übereinstimmung von musikalischen Takten und Schrittfiguren (Konkordanz). (Tanzbeschreibung hier)
4. Die Mîndrele, die Mihai und Alexandru David eingebracht und auf ihrer LP „Gypsy Camp IV” veröffentlicht haben, besitzt dasselbe Rhythmusschema wie die Nr. 2 und liegt im Tempo etwa gleich (Achtel = 316 bpm). In der Tanzbeschreibung von Maria Reisch, die uns für diesen Tanz vorliegt, passen die Längen der beiden Figuren (1. Figur: 8 Takte, 2. Figur: 4 Takte) nicht zu der dazugehörigen Aufnahme auf der LP von Alexandru und Mihai David „Gypsy Camp IV”. Sie ist folgendermaßen aufgebaut: Vorspiel: 4 Takte, A: 4 Takte, B: 8 Takte, A: 4 Takte, B: 8 Takte, C: 6 Takte, C: 6 Takte (3 Durchgänge insgesamt). (Tanzbeschreibung hier)
5. Constantin Cazangiu hat 1991 eine weitere Mîndrele aus der Gegend von Caracal, Kreis Olt, Oltenien mitgebracht, dazu eine Musik auf MC in einem recht flotten Tempo (334 bpm), das schon an das eines Rustemul (360 bpm) heranreicht. Auch das Rhythmusschema in diesem Tempo ähnelt sehr dem Rustemul: 1 ⎮ 1+1+1+2 und 1 ⎮ 2+1+2 (oder ♪ | ♪ ♪ ♪ ♩ und ♪ | ♩ ♪ ♩).
Diese Mândrele verfügt mit ihren kleinen und großen „Schlüsseln”, diagonalen Stampf- und Galoppschritten u.a. – alle im Rhythmus 2+1+2+1 – über ein Figurenrepertoire, das wir von den Rustemele (Plural von Rustemul) her kennen. Damit bekennt sich diese Mîndrele in allen relevanten Bereichen – Tempo, Rhythmus und Schrittfiguren – zu ihrer Tanzfamilie, den Rustemele, und unterscheidet sich nicht mehr wesentlich von diesen. (Tanzbeschreibung hier)
6. Mircea Ivănescu brachte 1992 eine sehr ähnliche Mîndrele mit. Sie wurde zur gleichen Musik getanzt und enthielt im wesentlichen dasselbe Figurenrepertoire. (Tanzbeschreibung hier, Hörprobe wie Nr. 5)
7. Von Daniel Sandu kennen wir eine ruhigere Mândrele mit dem (getanzten) Rhythmus 1+1+1+3 (♪ ♪ ♪ ♩.). Die Musikaufnahme (auf der Electrecord-CD „Romanian Folk Dances I” ELCD 120) läßt 1+1+1+2+1 hören und ist mit 208 bpm deutlich langsamer als die zuvor genannten Varianten 3 bis 6. Sie beginnt zwar mit flinken Kreuzschritten, hat aber im übrigen sehr ruhige Bewegungen, auch mit den Händen. Die Schrittfiguren bleiben im Rahmen der bisher beschriebenen Varianten: kleine und große „Schlüssel”, Stampf- und Kreuzschritte, dazu gegengleiche Wiederholungen in Gegenrichtung. (Tanzbeschreibung hier)
8. Von Mihai David haben wir schließlich eine Mîndrele, die sich von allen anderen im Rhythmus erheblich unterscheidet. Sie steht im 5/8-Takt mit dem Rhythmus 1+1+1+2 (♪ ♪ ♪ ♩) und besitzt ein recht flottes Tempo (um 250 bpm). Auch mit ihren schnellen Schritten im Achtel-Tempo, den andersartigen Kreuzschritten, Stampf- und Laufschritten rückwärts hat dieser Tanz einen besonderen Charakter. Bemerkenswert ist dabei auch M. Davids Herkunftsangabe: Dobrudscha – anders als alle übrigen hier genannten Mîndrele aus Oltenien. (Tanzbeschreibung hier)
Anca Giurchescu (4) bemerkt hierzu, daß die in Rumänien relativ seltenen ternären (dreizähligen) Rhythmen wie die des Typs Rustem – und damit auch die der Mândrele – sich aus einem ursprünglichen 5/8-Takt entwickelt haben. Unsere 5/8-Mîndrele Nr. 8 wäre demnach eine ältere, ursprüngliche Form.
Die schönen Stolzen
„Mândrele” ist die substantivierte weibliche Mehrzahlform des Adjektivs „mândru/mândra” mit der bestimmten Artikel-Endung „-le” – dt.: „die Schönen”. Ganz so einfach liegen die Dinge jedoch nicht, wenn die Bedeutung des Tanznamens in Folkloretanzkreisen mit „Schönheit” oder „hübsche Mädchen” angegeben wird. Bei solchen vereinfachten Wortgleichungen („Mândrele” = „Schönheit”) ist Mißtrauen angebracht. Und das lohnt sich in diesem Fall besonders, da es sich hier um ein ziemlich schillerndes Wort handelt.
Die positiven Bedeutungen des Wortes „mândru/-a” sind laut dexonline.ro vielfältig: stolz, würdevoll, selbstbewußt, stattlich, großartig; schön, elegant; verehrt, geliebt; weise, erfahren, verständig, klug, clever, fähig (kompetent). Negativ gefärbt bedeutet es: eingebildet, aufgeblasen, hochmütig, hochnäsig, arrogant. (Das Rumänisch-Deutsche Wörterbuch von Sava Barcianu-Popovici 1886 nennt nur die letzteren, negativen Bedeutungen zu „mândru”.) Die stolze Schönheit der Mândrele entpuppt sich vor diesem Hintergrund als zweigesichtig; u.E. sollte das nicht unter den Tisch fallen. Die Welt der Volkstraditionen ist eben keine heile Welt.
Leonte Socaciu erklärte 1987 im Unterricht in Freiburg/Brsg., Mândrele als soziale Klasse seien die stolzen ländlichen Bojarenmädchen mit ihren sehr reich ausgestatteten und daher schweren Trachten; ihr Tanzstil sei infolgedessen langsam, gemäßigt, sehr aufrecht und stolz. Dadurch setzten sich die Mândrele scharf vom „normalen” Rest der Dorftänzerinnen ab. Diese Betrachtungsweise könnte mindestens teilweise durch die damals gültige kommunistische Ideologie gefärbt sein, dürfte jedoch im Kern – cum grano salis – zutreffen.
Eine solche Anspielung auf eine besondere Art von Personen sehen wir auch in Tänzen mit den Namen Coconița, Coconeasă, Kukunješte u.ä., die auf das rumänische Wort cocoană („Dame”) zurückgehen; coconița (Diminutiv von cocoană, „Fräulein”) war ein Ehrentitel für Damen des Adels oder der bürgerlichen Oberschicht.
Einige Dokumente aus den USA (Tanzbeschreibungen) erwähnen lapidar, daß der Tanz Mândrele von älteren Frauen getanzt werde („dance for [!] older women”) und wahrscheinlich zeremonielle Funktionen habe. Dies kann auch nur ein Erklärungsversuch für das moderate Tempo und den entsprechenden Stil einiger Mândrele-Spielarten sein, während der Tanz möglicherweise in Rumänien durchaus nicht nur „von älteren Frauen” getanzt wird oder wurde. Die verhältnismäßig schnellen Tempi der Varianten 3 bis 6 lassen eher auf jüngere, gemischte Tänzerinnen und Tänzer schließen. Bestätigt wird dies durch einen Eintrag im rumänischen Tanzlexikon „Dicționarul jocurilor populare romănești” von G. T. Niculescu-Varone u.a. über eine Mândrele aus Oltenien, von der es ausdrücklich heißt „joc de flăcăi și fete” – Burschen- und Mädchentanz. (5)
(1) „Mindrele is a less-known Hora from Dolj (Oltenia).“ Mitt. Ron Houston 23.02.2021
(2) Die rumänische Rechtschreibreform von 1993 änderte in den meisten Fällen „î” nach „â”. Davor hieß der Tanz Mîndrele; erst langsam setzt sich die neue Schreibweise Mândrele durch (bei unveränderter Aussprache). Mehr dazu s. „Sîrba oder Sârba?”. Wenn wir uns hier auf Publikationen beziehen, übernehmen wir deren Schreibweise „Mîndrele“ oder „Mindrele„.
(3) Als Auftakt bezeichnet man eine zur Melodie gehörige Note vor dem Beginn des Taktes. Wenn der Takt z.B. ⎮ 1+1+1+2+1 ⎮ oder ⎮♪ ♪ ♪ ♩ ♪⎮ ist, erscheint er mit Auftakt als ♪⎮♪ ♪ ♪ ♩ ♪⎮. Die Melodie klingt wie ♪⎮♪ ♪ ♪ ♩.
(4) Giurchescu, Anca, Sunni Bloland: Romanian Traditional Dance, a contextual and structural approach (Bukarest 1992), S. 109 f
(5) Wir danken Radboud Koop für diesen wichtigen Hinweis.
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Nachbemerkung:
Alle die genannten Erklärungen zur Bedeutung des Tanznamens „Mândrele” sind nicht mehr als Deutungs-Versuche, die auf Indizien und Mutmaßungen beruhen. Solange wir keine stichhaltigen Belege haben – auch Socacius mündliche Einlassungen über die Mândrele als soziale Klasse können nicht als belastbarer Beleg gelten – können wir nur sagen, daß mit dem Tanznamen möglicherweise die Bojarenmädchen (oder die „Schönen Stolzen”) gemeint sind. Die Hinweise auf die Wortbedeutung („die Schönen”, „die hübschen Mädchen”, „die Stolzen”) sind nichts anderes als Übersetzungen, die noch nichts erklären.
Da wir uns hier im Bereich der Folklore bewegen und viele rumänische (Tanz-)Lieder von „mândra mea” – meiner Liebsten – handeln, können wir mit gleichem Recht auch annehmen, daß der Tanz den Geliebten (mândrele = Plural von mândra mit bestimmtem Artikel) gewidmet ist: ein Tanz zu Ehren der Liebsten.
Vielleicht bezieht der Tanz sich aber auch überhaupt nicht auf Personen. Mit dem Namen kann auch der Tanz an sich gemeint sein: stolz, würdevoll, selbstbewußt, stattlich, großartig, schön, elegant … Oder wir haben hier, wie es bei vielen Tänzen der Fall ist, ein Überbleibsel eines (unbekannten) Liedtextes. So sehen wir wie seinerzeit Bertold Brecht „den Vorhang zu und alle Fragen offen”.
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Zweite Nachbemerkung zu Mîndrele
Inzwischen haben wir – dank Radboud Koop – Kenntnis von einer weiteren Quelle erhalten, die die Frage nach der Bedeutung des Tanznamens „Mîndrele“ auf sehr einfache Weise beantwortet. Gheorghe Popescu-Județ schreibt in seiner Tanzsammlung „Jocuri Populare Romînești“ (1959, S. 104):
„Die Bezeichnung „Mîndrele“ kommt von den schönen Mädchen, die die Burschen bei der Hora so sehr suchen.“ (Denumirea de „Mîndrele“ vine de la fetele frumoase, atît de mult căutate de flăcăi la horă.)
Weiter schreibt er, dass junge Burschen und Mädchen (flăcăi și fete) an diesem beliebten Tanz teilnehmen, der an keinem Fest und keiner Hochzeit in Oltenien fehlt. „In Segarcea wird der Tanz breit und einfach getanzt, in Bailesti geschmeidig und gleitend, in Hunia bei Calafat schnell und hüpfend.“
Also – vergessen wir alle Spekulationen über „Bojarenmädchen“, „Stolze“, „Schöne“ oder gar „older women“.
Die Mîndrele (oder Mândrele) sind eine Tanzfamilie, die bei den jungen Menschen in Oltenien sehr beliebt ist, in vielen Varianten getanzt wird und deren Namen sich auf die Erotik, ein wichtiges, ja konstitutives Element des Volkstanzes, bezieht.
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Mîndrele – Dritte Nachbemerkung (April 2025)
Über eine Mîndrele-Aufnahme des Orchesters Ion Albeșteanu auf Electrecord (ST-EPE 01734 – Jocuri populare Românesti, discul nr. 4 – Oltenia – Gorj, 1982) und über den dazugehörigen Tanz gibt es widersprüchliche Informationen. Es ist dieselbe Aufnahme, die Mihai und Alexandru David für ihre Mîndrele-Variante verwendet haben. Weitere Tracks dieser offensichtlich beliebten LP haben auch Theodor Vasilescu und Silviu Ciuciumiș verwendet.
Hörprobe: Mîndrele – Orchester Ion Albeșteanu, Electrecord ST-EPE 01734
Frage: 5/8 oder 6/8?
Auf dem Umschlag der LP ist vermerkt, dass die Aufnahme Nr. 4 – Mîndrele – aus Bîrca, einer Gemeinde im Kreis (județ) Dolj, kommt. Die Musik wird im 6/8-Takt im Rhythmus 1+1+1+2+1 (mit Auftakt) gespielt. Von Constantin Costea (1), einem rumänischen Tänzer und Ethnochoreologen, der auch den Begleittext auf der LP-Hülle verfasst hat, existiert eine handschriftliche Tanzbeschreibung, überschrieben mit
„JOCURI POPULARE ROMÎNEȘTI – DISC NR. 4 – DOLJ
MINDRELE (4)
GIUBEGA – DOLJ
5/16 (♪ ♪.)“
Zu der Mîndrele-Aufnahme der LP aus Bîrca (Dolj) im 6/8-Takt beschreibt Costea also eine Mîndreleaus Giubega (Dolj) im 5/8-Takt. (2) Wie sind diese Widersprüche zu verstehen?
Da die Gemeinden Bîrca und Giubega im Landkreis Dolj kaum 40 km Luftlinie voneinander entfernt liegen, sollte u.E. die unterschiedliche Herkunftsangabe kein Problem darstellen; die auf der LP veröffentlichte Musik Mîndrele stammt aus Bîrca (Dolj), der Tanz Mîndrele, den Costea dieser Musik zuordnet, stammt aus Giubega (Dolj).
Die unterschiedlichen Takte von Musik und Tanz könnten dagegen schon eher irritieren. Der von C. Costea notierte 5/16-Takt besteht aus zwei ungleichen Teilen im Verhältnis 2:3 – ein „ungerader“ Takt, genannt „aksak“, wie wir ihn vom bulgarischen Pajduško her kennen. Der 6/8-Takt teilt sich in zwei 3/8-Teile, deren ungleiche Pulsationen (z.B. ♪ ♪ ♪ ♩ ♪ ) im Verhältnis 1:2 stehen.
Allerdings repräsentieren beide Taktarten den Rhythmus „kurz-lang“. C. Costea könnte gefunden haben, dass seine Mîndrele aus Giubega zur der Musik der Mîndrele aus Bîrca passt. Seine Beschreibung kann man mühelos auf die Musik der LP Electrecord ST-EPE 01734 tanzen. Im Begleittext zur LP schreibt er:
„Der ursprüngliche asymmetrische Rhythmus von 5/16 (♪ ♪.) verwandelt sich allmählich in 3/8 (♪ ♩).“ (3) Auch Anca Giurchescu berichtet, dass die Musiker vom ursprünglichen aksak-Rhythmus (5/8) zu einem moderneren ternären Rhythmus (6/8) gewechselt sind – wir haben darüber in unserem Pajduško-Artikel geschrieben. Der 6/8-Takt kann insofern als „ternär“ (dreigeteilt) aufgefasst werden, als er aus 3/8-Teilen zusammengesetzt ist.
Antwort: „kurz-lang“
Während A. Giurchescu lediglich einen Wechsel der Taktarten feststellt, gehen andere Ethnomusikologen einen Schritt weiter. Sie stellen die Wiedergabe der ungeraden Takte durch exakte Achtel- oder Sechzehntel-Formeln (5/8, 9/8, 10/16, 11/16 usw.) überhaupt in Frage (4). Ihre Mikroanalysen von zahlreichen Aufnahmen und deren Tausenden von Takten ergeben kein exaktes Verhältnis von zwei (♪) zu drei (♪.); die langen Pulsationen haben nicht unbedingt 1,5mal die Länge der kurzen (eher nicht!), so dass in unserem Beispiel „5/8“ (2:3 oder 1:1,5) und „6/8“ (1:2) nur die zwei Enden eines Kontinuums der Spielpraxis darstellen; die Realität liegt jeweils irgendwo dazwischen. Ein Streit über den „richtigen“ Takt ist daher müßig. István Pávai bringt es auf den einfachen Satz „… Die grundlegende metrische Einheit ist nicht die 1/8-Note oder 1/16-Note, sondern der Viertelnotenwert, geteilt in zwei verschiedene, abwechselnde Längen.“ (5). Dass wir in den Noten und Tanzbeschreibungen überhaupt Taktangaben vorfinden, liegt einfach daran, dass das Notationssystem nichts anderes oder gar besseres anbietet, was der lebendigen Musik gerecht würde. Der Rhythmus „kurz-lang“ kann in 5/8 oder 6/8 beschrieben werden, und was genau „kurz“ und „lang“ bedeutet, hängt letztlich davon ab, was (die Musiker spielen und) der Tänzer und die Tänzerin hören.
Stampfen oder hüpfen?
Eine weitere Auffälligkeit sehen wir in C. Costeas Tanzbeschreibung: Stampfer auf den Taktschlag 1, genau dort, wo andere Versionen des Tanzes einen Hüpfer auf dem Standbein haben (6). Auch dies scheint ein vernachlässigbares Detail zu sein. Denn wenn wir bei Costea die Stampfer durch Hüpfer oder Feger ersetzen, haben wir einen Tanz, der sich fast nicht mehr von dem unterscheidet, den Mihai David zu derselben Musik vermittelt hat (7) und dessen Figuren denen anderer Varianten der Rustem-Familie (darunter die diversen Mîndrele) gleichen.
Was wir an diesem Beispiel (wieder einmal!) erkennen können, ist die Beweglichkeit und Wandelbarkeit der lebendigen Folklore, die mit unseren beschränkten Mitteln der schriftlichen Aufzeichnung immer nur unzureichend erfasst werden kann. Für uns Praktiker bedeutet das: Fünfe grad sein und die Kirche im Dorf lassen!
Wir danken Radboud Koop für wertvolle Informationen und Hinweise.
(1) Siehe Jacques Loneux: Rumänien – ein Land und seine Tänze (1995) Seite 7.
(2) Ob man Achtel oder Sechzehntel schreibt, ist innerhalb gewisser Grenzen ganz offensichtlich eine Frage der individuellen Entscheidung oder auch der Konvention. Das Thema haben wir in unserem Artikel „Zwei Viertel“ erörtert.
(3) „Ritmul, la origine, asimetric de 5/16 (f) a inceput să se transforme in 3/8 (g).“
(4) Goldberg, London, Green, Pavai. Siehe auch ein-merkwuerdiger-rhythmus-4-3 und Herwig Milde: Die_bulgarische_Tanzfolklore, PDF-Ausgabe S. 74, Fußnote 66.
(5) „… the basic metrical unit is not the 1/8th-note or 1/16th-note but the 1/4th-note value in two different, alternating, lengths.“ István Pávai: Hungarian Folk Dance Music of Transylvania, Budapest 2020, S. 247.
(6) Tanzbeschreibung: Mîndrele_CCo.pdf
(7) Tanzbeschreibung: Mindrele_AMD.pdf